ISA Insights: „Human-AI-Collaboration ist kein Technologiethema, sondern eine Frage von Haltung, Training und Empathie.“
- Christina kehl
- 6. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Kennenlern-Interview mit ISA Board Member & Geschäftsführerin Christina Kehl

Die Schweizer Brückenbauerin zwischen Mensch und Technologie
Christina Kehl ist eine prägende Persönlichkeit in der Schweizer Startup-Szene und eine leidenschaftliche Verfechterin der digitalen Transformation. Bereits mit 19 Jahren gründete sie ihr erstes Unternehmen und hat seitdem mehrere Startups in London, Berlin und Zürich erfolgreich aufgebaut. Heute setzt sie sich u.a. als Executive Chairwoman des Innovationsverbands Schweizer Arbeitsmarkt (ISA) und als Chief Strategy Officer der Graduate School of Applied Technology & Management dafür ein, Menschen fit für die berufliche Zukunft zu machen.
1. Christina, du hast schon mit 19 dein erstes Unternehmen gegründet. Was hat dich so früh dazu inspiriert, Unternehmerin zu werden?
Ganz ehrlich? Ich wollte damals einfach eine Lösung für ein Problem schaffen, das ich selbst hatte. Mein Jura-Studium war eher eine Kompromissentscheidung als echte Leidenschaft. Mit 19 fehlten mir noch der Weitblick und die Referenzpunkte, um zu erkennen, wie vielfältig und offen die Welt jenseits der klassischen Bildungswege eigentlich ist. Also habe ich mit einer Freundin kurzerhand eine Firma aufgebaut – mit 45 studentischen Mitarbeiter:innen in ganz Deutschland. Unser Ziel war es, Schülerinnen und Schülern genau diesen Einblick zu geben, den ich damals vermisst hatte. Es waren meine ersten Schritte als Unternehmerin, extrem lehrreich und völlig ohne Unternehmerhaushalt im Hintergrund - ich komme aus einer ganz normalen Mittelstandsfamilie. Ich bin einfach meinem Instinkt und meinem Herzen gefolgt. Erst später in London und Berlin lernte ich, dass man das, was ich da gemacht hatte, „Entrepreneurship“ nennt. Seitdem hat mich dieser Weg nicht mehr losgelassen.
2. Mit Knip hast du den weltweit ersten mobilen Versicherungsbroker aufgebaut. Was waren die grössten Herausforderungen und welche Erkenntnisse begleiten dich bis heute?
Die grösste Herausforderung war nicht die Technologie, sondern das Vertrauen der Kund:innen und Versicherer. Daraus habe ich gelernt, dass Innovation vor allem bedeutet, Menschen von einer neuen Vision zu begeistern. Diese Erkenntnis hilft mir heute, komplexe Themen einfach und überzeugend zu vermitteln.
3. Du hast 2014 Swiss Finance Startups mitgegründet, um die Fintech-Szene in der Schweiz zu stärken. Wie siehst du die Entwicklung der Branche heute?
Damals gab es wenig Austausch innerhalb der Szene, heute ist die Schweiz ein wichtiger Fintech-Hub in Europa. Ich habe gelernt: Zusammenarbeit schlägt Konkurrenz. Gemeinsam wachsen wir schneller und nachhaltiger – das gilt übrigens weit über Fintech hinaus.
4. Im Beirat für digitale Transformation des Schweizer Bundesrats bist du aktiv. Welche Initiativen konntet ihr bereits erfolgreich umsetzen?
Im Beirat diskutieren wir politische und gesellschaftliche Fragen rund um die Digitalisierung in der Schweiz. Aber ehrlich gesagt: Im politischen Kontext mit Bern und in den Kantonen bewegen sich die Dinge oft beständig, aber langsam und erfordern viele Diskussionen und Geduld. Trotzdem konnten wir wichtige Impulse setzen, um politische Entscheider stärker für das Potenzial, aber auch die Risiken der digitalen Transformation zu sensibilisieren.
5. In deiner Rolle bei der Graduate School of Applied Technology & Management und bei ISA engagierst du dich intensiv für Skills und Kompetenzen. Welche konkreten Fähigkeiten sind für dich entscheidend?
Für mein Team und mich ist es wichtig, uns von schwammigen Begriffen wie „Future Skills“ oder "Future of Work" zu lösen. Was soll das sein? Stattdessen müssen wir Unternehmen und Mitarbeitenden konkrete und innovative Trainingsmöglichkeiten anbieten, um sie für die berufliche Zukunft zu befähigen und echte, greifbare Mehrwerte liefern. Hierzu brauchen mein Team und ich fundierte Kompetenzen in
KI (künstlicher Intelligenz)
angewandter Technologie (Applied Technology)
sowie ein Verständis für die enge und effiziente Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI (Human-AI-Collaboration) sowie
Empathie und Kommunikationsfähigkeit, um diese Transformation verständlich zu vermitteln.
Persönlich habe ich gelernt, dass echte Transformation nur gelingt, wenn wir Menschen konkret zeigen, was möglich ist – und wie sie es erreichen. Human-AI-Collaboration ist kein Technologiethema, sondern eine Frage von Haltung, Training und Empathie.
6. Als Investorin und Verwaltungsrätin hast du einen guten Überblick über digitale Trends. Welche Entwicklungen sollten Unternehmen besonders im Blick behalten?
KI und Automatisierung sind unumgänglich – und das ist eine Chance. Unternehmen sollten dies nutzen, um Prozesse zu verbessern und ihre Mitarbeitenden gezielt auf diese Veränderungen vorzubereiten. Ein persönliches Learning: Technologie wird erst dann effektiv, wenn Menschen sie verstehen und als Teil ihres täglichen Handelns annehmen.
7. Deine Karriere umfasst sehr unterschiedliche Rollen. Wie haben diese Erfahrungen deinen Führungsstil geprägt?
Jede Rolle hat mir gezeigt, dass Führung nicht Kontrolle, sondern Unterstützung bedeutet. Empathie, Offenheit und Vertrauen sind für mich zentrale Werte. Ich möchte eine Umgebung schaffen, in der Fehler erlaubt sind und Mitarbeitende ihre Stärken entdecken und weiterentwickeln können. Eine wichtige Lektion: Starke Teams entstehen, wenn jeder die Freiheit hat, auch einmal scheitern zu dürfen.
8. Welche Vision verfolgst du langfristig für den Schweizer Arbeitsmarkt?
Meine Vision ist ein Arbeitsmarkt, der technologiegetrieben und dennoch zutiefst menschlich ist. ISA setzt sich gezielt dafür ein, Menschen durch gezieltes Training fit für technologische Veränderungen zu machen. Weiterbildung und Weiterentwicklung sollte zur selbstverständlichen Gewohnheit werden – und nicht zur Belastung.
Langfristig sehe ich eine Schweiz, in der Technologie Menschen nicht verdrängt, sondern befähigt, kreativer und produktiver zu sein. Dabei bin ich überzeugt: Die Zukunft liegt nicht allein in der Technologie, sondern im klugen, bewussten Zusammenspiel von menschlicher Kompetenz und technischer Innovation.
Der Innovationsverband Schweizer Arbeitsmarkt (ISA) gestaltet die Zukunft der Arbeit. Seit 2024 entwickelt das engagierte Team innovative Lösungen für Professionals, Unternehmen und Verwaltungen, abgestimmt auf die Anforderungen einer dynamischen Arbeitswelt. Mit Fokus auf politisches Engagement, Bildung und Netzwerke stärkt ISA den Schweizer Arbeitsmarkt – agil, inklusiv und zukunftsorientiert.
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